
Veröffentlicht am 24.04.2022
Schmerz, Schuld, Tod, aber auch Freundschaft, Hoffnung und Vergebung.
Prometheus ist Arzt und sehr erfolgreich auf seinem Gebiet. Derzeit forscht er an einer alternativen Behandlung zur Chemo-Therapie für Krebspatient:innen. Als sein bester Freund Jacob an Blasenkrebs erkrankt, befindet er sich plötzlich in einem ethisch-moralischen Dilemma, denn Jacob, seine Freunde und seine Familie setzen ihn unter Druck, Jacob noch in die Studie einzuschleusen. Eigentlich möchte er das nicht, aber letzten Endes lässt er sich überreden… der erste von vielen Fehlern, die letzten Endes in Schuld, Schmerz und Flucht enden.
Auf dieses Buch habe ich mich schon sehr gefreut, denn Marianengraben von der Autorin habe ich einfach nur geliebt! Dieses Buch war anders.
Zunächst waren die Umstände, die Prometheus in diese Situation gebracht haben völlig nebulös und sie kommen erst nach und nach ans Licht. Das „Warum“ war aber erstmal auch gar nicht so wichtig. Wir befinden uns viel in Prometheus‘ Innerem, in seinen Gedanken und seinen Gefühlen, seiner Ohnmacht und seinem Versuch, das alles zu verarbeiten.
Es wird ausschließlich aus seiner Perspektive erzählt und die Erzählungen springen zwischenverschiedenen Zeitebenen. So lernen wir Prometheus, seinen Freund Jacob, seine Familie und die Beziehungen zwischen ihnen sehr gut und intensiv kennen. Es ist ganz leicht, sich in Prometheus hineinzuversetzen, mit ihm zu fühlen und zu leiden.
Prometheus ist nicht vollkommen und schon gar nicht immer sympathisch, aber er ist echt. Weil man ihn so gut kennen- und lieben lernt, verzeiht man ihm seine „Fehler“, denn man versteht zu 100 Prozent, wie es dazu kommen konnte. An einem Punkt der Geschichte wollte ich ihn schütteln, ihn anschreien, es nicht zu tun. Man weiß ja schon, was passiert und als dann der Punkt kommt, an dem sich alles entscheidet, möchte man es so gerne aufhalten. Katastrophal schwer auszuhalten, aber fantastisch umgesetzt!
Das Bild des Mauerseglers begleitet uns durch die gesamte Geschichte, durch alle Perspektiven und Zeitebenen, das fand ich auch sehr gelungen.
In dem Erzählstrang der Gegenwart landet unser Protagonist in Dänemark. Dort nehmen sich Aslaug und Helle dem gebeutelten und von Schuld zerfressenen Prometheus an. Und das machen sie auf so außergewöhnliche, berührende und ganz eigene Weise, dass es genau das Richtige für Prometheus und einen Weg aus der Verzweiflung war.
Schön war übrigens auch die kurze Erwähnung der Figuren aus „Marianengraben“. Die waren nämlich auch kurz auf einen Abstecher bei den beiden Frauen auf dem Hof und es geht ihnen richtig gut :)
Auch in diesem Buch nimmt sich die Autorin einem sehr schweren und hoch emotionalen Thema an. Es gibt hier kein einfaches „Richtig und Falsch“, „Schwarz oder Weiß“, „Schuldig oder Gerechtfertigt“. Es ist alles gleichzeitig und nichts ist eindeutig und schon gar nicht einfach.
Im Gegensatz zum Marianengraben, der mich mit jedem Satz gepackt und berührt hat, war es beim Mauersegler nicht durchgängig so intensiv und überzeugend, wie beim anderen Buch. Hin und wieder hatte mich Prometheus verloren, konnte mich aber immer wieder einfangen und für sich gewinnen. Im Vergleich zum Marianengraben, gab es hier vielleicht doch ein, zwei Längen, wo es mir dann schwergefallen ist, dranzubleiben.
Dieses Buch hat mich dennoch wieder mit dem tiefgründigen und emotionalen Schreibstil der Autorin absolut überzeugt. Es berührt und macht nachdenklich, lässt mich aber trotzdem hoffungsvoll zurück. Jasmin Schreiber ist eine Autorin, die man lesen muss!!
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